Wirtschaftsentwicklung in Echtzeit

Die aktuelle COVID-19-Pandemie hat zu einem tiefen und abrupten Einbruch der Wirtschaftsleistung in Österreich geführt. Eine zeitnahe Schätzung der Stärke des Einbruchs und der folgenden schrittweisen Erholung der österreichischen Wirtschaft stellt die Wirtschaftsforschung vor neue Herausforderungen. Traditionelle Konjunkturindikatoren sind hier wenig hilfreich, weil sie üblicherweise nur auf Monats- oder Quartalsbasis vorliegen und zeitverzögert veröffentlicht werden. Die OeNB hat daher einen neuen BIP- Indikator entwickelt, der auf wöchentlicher Basis die wirtschaftliche Aktivität abbildet – quasi eine Echtzeitschätzung der Wirtschaftsentwicklung in Österreich.

Die Wirtschaftsleistung eines Landes (Bruttoinlandsprodukt oder BIP) wird üblicherweise über die Produktion von Gütern und Dienstleistungen geschätzt. Das BIP kann aber auch über die Nachfrageseite bestimmt werden – hier steht im Vordergrund, für welchen Zweck die produzierten Güter und Dienstleistungen verwendet werden. Das BIP ergibt sich dabei als die Summe der privaten Konsumausgaben, der Investitionen der Unternehmen, der staatlichen Ausgaben und der Exporterlöse abzüglich der Ausgaben für Importe. Der neue wöchentliche BIP- Indikator der OeNB basiert auf einer nachfrageseitigen Schätzung der Wirtschaftsleistung. Konkret wurden für alle BIP-Nachfragekomponenten Indikatoren ausgewählt, die zumindest wöchentlich und in Echtzeit zur Verfügung stehen.

Zur Schätzung der privaten Konsumausgaben verwendet die OeNB Daten zu Bankomat- und Kreditkartenumsätzen sowie Informationen zu Bargeldlieferungen und -abhebungen – die Einbeziehung von Bargeld ist wichtig, weil es in der COVID-19-Pandemie zu Verschiebungen zwischen Bargeld und Zahlungen mit Karte kam. LKW-Fahrleistungsdaten an den Grenzabschnitten des österreichischen Autobahnnetzes sind ein bewährter Indikator zur Messung der Exporttätigkeit. Die Ausgaben ausländischer Gäste in Österreich (Tourismusexporte) werden mit Hilfe der Zahlungskartenumsätze von Ausländern im Inland geschätzt. Darüber hinaus verwenden wir tägliche Zahlen zur Arbeitslosigkeit, zum Stromverbrauch oder auch zum Mobilitätsverhalten der Bevölkerung (gemessen über Handy-Daten).

Die Ergebnisse des neuen wöchentlichen BIP-Indikators zeigen, dass die Wirtschaft im Zuge des Lockdowns Ende März/Anfang April rasch massiv eingebrochen ist – die Wirtschaftsleistung ist binnen zwei Wochen um ein Viertel gesunken. In den darauffolgenden Wochen wurden die Lockdown-Maßnahmen schrittweise gelockert und die österreichische Wirtschaft hat sich nach und nach erholt. Gegenwärtig (Stand Anfang August 2020) liegt das BIP aber noch immer knapp 4 % unter dem Vorjahreswert.

grafik des bip-indikators der oenb bis KW 33

Es ist wichtig zu betonen, dass die Entwicklung des neuen BIP-Indikators ohne die Kooperationsbereitschaft vieler Unternehmen, die der OeNB entsprechende Daten zur Verfügung stellen, nicht möglich wäre. Ein großes Dankeschön an dieser Stelle. Der BIP-Indikator wird in der gegenwärtigen außergewöhnlichen Situation bis auf Weiteres laufend aktualisiert und auf der OeNB-Website publiziert.